Antje Lechleiter (2024)

Bert Jäger im Spiegel des Informel

Mit dem Informel, Tachismus, der Art brut, dem abstrakten Expressionismus » und dem Action Painting entstanden in der Nachkriegszeit sowohl in Europa als auch in den USA verschiedenste Varianten einer gestisch abstrakten Form der Bildgestaltung, die durch die Anwendung automatischer Techniken einen Zugang zum unbewussten Gestalten suchte. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der Surrealismus hierfür eine Grundlage geschaffen.
Spricht man vom deutschen Informel, so umfasst der Begriff im Wesentlichen die Zeit zwischen dem Ende der 1940er und dem Anfang der 1960er Jahre. Diese Kunstrichtung spiegelte nicht zuletzt die existenzielle Lage des Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg wider. Für die Erschaffung eines Bildes nach der »Stunde Null« bedurfte es nicht länger konventioneller Mittel wie Staffelei, Pinsel, Ölfarbe und Palette. Die Farbe wurde nun direkt auf dem oftmals auf dem Boden liegenden Bildträger gemischt. Gearbeitet wurde mit den Händen, mit Bürsten und Besen, Spachtel und Rakel und aus der Kraft des gesamten Körpers heraus. Das mitunter durch kunstferne Werkstoffe wie Sand oder Kitt angereicherte Farbmaterial orientierte sich nicht länger an der Wiedergabe des Sichtbaren, sondern wurde selbst Gegenstand der Gestaltung.
Zu den ersten deutschen Künstlern, die am Konzept des gestisch abstrakten Bildes arbeiteten, gehörten Hans Hartung (1904–1989), Fritz Winter (1905–1976) und der früh verstorbene Wols (1913–1951). Die Rezeption des Informel fokussiert sich daher im Wesentlichen auf diese drei Künstler sowie auf Peter Brüning (1929-1970), Karl Fred Dahmen (1917-1981), Karl Otto Götz (1914-2017), Gerhard Hoehme (1920-1989), Bernard Schultze (1915-2005) und Fred Thieler (1916-1999). Wichtig war des Weiteren Emil Schumacher (1912-1999), der wie Wols, Götz, Thieler, Dahmen, Hoehme und Schultze zwischen 1912 und 1920 geboren wurde und damit zur älteren Generation des Informel zählt. Zu dieser gehört auch der 1919 in Karlsruhe geborene Bert Jäger. Es ist das tragische Schicksal dieser Generation, dass der Zweite Weltkrieg die Entwicklung eines eigenständigen Frühwerkes über Jahre hinweg unterbrach. Jäger wurde 1939 zur Wehrmacht eingezogen, in Polen und Russland eingesetzt und verbrachte fünf Jahre in sowjetischer Gefangenschaft. 1949, zurück in Freiburg, setzte er künstlerisch neu an und verband kubistische Elemente mit einer neusachlich-magischen, mitunter auch surrealen Wiedergabe der Realität.
Es folgte Ende der 1950er Jahre eine kurze Phase, in der er sich mit der konkret-konstruktiven Kunst auseinandersetzte. Die Hinwendung zum motorischen Farbauftrag des Informel erfolgte ab 1960 und zeigt eine individuelle Form der spontanen, gestisch abstrakten Malerei, die Brüning, Dahmen, Götz, Hoehme, Schultze, Thieler und Schumacher gleichberechtigt zur Seite gestellt werden kann.